InDesign CC bringt in der neuesten Version 2021 einige lange ersehnte Produktivitätsfeatures mit, allen voran Neuerungen zum Erleichtern der Fernarbeit mit anderen Workflow-Teilnehmern an gemeinsamen InDesign-Dokumenten.
Lockdowns hin oder her, kollaboratives Gestalten könnte für viele Nutzer nicht schnell genug kommen. Denn geteilte Freude ist doppelte Freude, erst recht wenn man sich dabei gegenseitig über die Schultern schauen darf, und sei es „nur“ digital!
Den wichtigsten neuen Verbesserungen liegt einmal wieder Adobes KI/ML-Engine Sensei zugrunde. (Der Kürzel KI steht für Künstliche Intelligenz, ML für Maschinelles Lernen. Von ML ist oft dann die Rede, wenn Endgeräte nach einer Lernphase autarke Entscheidungen treffen sollen.)
Teamarbeit: zur Überprüfung freigeben
Mit der Juni-Version von InDesign 2020 hat Adobe die Funktion „Überprüfen“ eingeführt. Die Version 2021 von InDesign bringt zahlreiche Verbesserungen, darunter dringend benötigte Tools für Textanmerkungen und zahlreiche dringend benötigte Bugfixes mit.
Das Feature „Arbeit für Reviewer freigeben“ gibt eine PDF-Version der Satzdatei aus InDesign aus und überträgt sie in die Adobe-Cloud, wo sie dann anderen Workflow-Teilnehmern zur Verfügung steht. Nutzer mit einer entsprechenden Berechtigung können die zugehörige URL im Webbrowser öffnen und die Datei unter Verwendung der bereitgestellten Kommentarfunktionen mit den gewünschten Anmerkungen versehen.
Den Zugriff auf die Funktion gewährt dem Nutzer ein Klick auf das Symbol eines Papierkartons mit einem nach oben gerichteten Pfeil in der Anwendungsleiste, ein Aufruf des Befehls „Fürs Review freigeben“ aus dem Menü „Datei“ oder alternativ das Bedienfeld „Review“ aus dem Menü „Fenster > Kommentare“.
Im Dialog „Fürs Review freigeben…“ kann der Nutzer andere Personen zur Teilnahme an dem Arbeitsablauf einladen, einen Link zur Überprüfung freigeben, diesen bei Bedarf in die Zwischenablage kopieren und den Verlauf der Revision verwalten. Berechtigte Prüfer können im Webbrowser Kommentare eintragen, damit der Gestalter die gewünschten Korrekturen dann in InDesign umsetzt.
In der Version 2020 von InDesign standen Workflow-Teilnehmern nur zwei Arten von Kommentarwerkzeugen zur Verfügung: ein Tool zum Anheften einer Notiz und ein zum Zeichnen von Markierungen. InDesign 2021 fügt der Browser-basierten Benutzeroberfläche des Revisionsworkflows drei dringend benötigte neue Textanmerkungen hinzu. Teilnehmer des Arbeitsablaufs können jetzt mit zusätzlich Textabschnitte hervorheben, durchstreichen und zum Ersetzen markieren.
InDesign kann dem Mediengestalter die Kommentare aller Teilnehmer in einem Überprüfungsfenster direkt in der Anwendung anzeigen. Hierzu genügt der Aufruf des Befehls „Fenster> Kommentare> Review“. Der Setzer kann jeden Kommentar auflösen oder löschen und Kommentare beantworten; InDesign überträgt diese Informationen in die Cloud, sodass sie jeder Überprüfer seinem Webbrowser in nahezu Echtzeit einsehen kann.
Hinterlässt ein Teilnehmer ein Kommentar oder fügt er eine Notiz zu einer Anmerkung hinzu, synchronisieren sich diese mit InDesign. Hier erscheint das Markup direkt auf der Dokumentseite, wenn die Option „Anmerkungen anzeigen“ aktiviert ist. Die drei neuen Arten von Anmerkungen erscheinen auch im Überprüfungsfenster mit ähnlichen Optionen wie zuvor die anderen Kommentare.
Leichtere Bibliotheksfreigabe
Das Bedienfeld „CC-Bibliotheken“ verfügt über neue Funktionen, die das Freigeben von Inhalten und Ressourcen für andere Benutzer und das Durchsuchen freigegebener Bibliotheken erleichtern. Hierzu muss die Anwendung „Adobe Creative Cloud Desktop“ auf Version 5.3.0.438 oder neuer aktualisiert werden.
Wenn InDesign im Bedienfeld der CC-Bibliotheken eine Bibliothek anzeigt, erscheint oben rechts eine neue Schaltfläche mit der Bezeichnung „Bibliothek freigeben“. Ein Klick darauf holt das Fenster der Applikation „Adobe Creative Cloud Desktop“ in den Vordergrund und öffnet hier ein Dialogfeld, damit der Nutzer schnell mal eben eine Einladung zur Freigabe der Bibliothek initiieren kann – ein wesentlich effizienterer Arbeitsablauf als bisher.
Bei der Anzeige aller Bibliotheken bietet der untere Teil des CC-Bibliotheken-Bedienfelds jetzt Optionen zum Durchsuchen von Bibliotheken, die für andere Benutzer freigegeben sind, und zum Aufrufen öffentlicher Bibliotheken. Außerdem ist es möglich, öffentliche Bibliotheken in den eigenen, persönlichen Bibliotheken zu speichern, und Inhalte aus diesen Bibliotheken für die Satzdokumente von jedem Gerät heraus zu nutzen.
Farben lokalisieren und bearbeiten
In der Version 2021 kann InDesign jetzt alle Vorkommen einer bestimmten Farbe in einem Dokument oder auch gleich in allen geöffneten Dokumenten finden und auf Wunsch anpassen.
Das Auffinden aller Vorkommen benannter Farben in einem Dokument war bisher gar nicht so einfach. Jetzt können Sie mit der Funktion „Suchen/Ändern“ sogar nach Farben in Füllungen und Konturen von Text und Objekten suchen – einschließlich Tabellenzellen – und diese ändern, sofern sich die betreffenden Objekte im Dokument befinden. Das Feature kann nämlich keine Farben innerhalb von Zeichen-/Absatz-, Tabellen-/Zellen- oder Objektformaten finden. Wer das Feature also zum Ändern von Farben verwendet, verursacht das Überschreiben von Formatvorgaben bei Text-, Tabellen- oder sonstigen Objekten durch lokale Korrekturen. Es ist danach unumgänglich, die Änderungen in den betreffenden Formaten erneut zu erfassen.
Zum Beispiel: Befindet sich ein Vorkommen der gesuchten Farbe in dem Absatzformat einer Überschrift, kann InDesign alle Vorkommen der Farbe auf Druckbögen finden und ändern, aber nicht im betreffenden Absatzformat. Wer also jetzt neue Überschriften damit formatiert, hat wieder die alte Farbe im Dokument. Bei Drucksachen kann sich dieses Verhalten von InDesign als verhängnisvoll erweisen, indem etwa unerwünschte Farbbögen ihren Weg durch die Hintertüre zurück in die Satzdatei finden. Hier müsste InDesign eine Option vorsehen, die ähnlich wie jene im Dialogfeld „Schriften suchen/ersetzen“ das Problem gleich an der Quelle zu beheben vermag: im betreffenden Format.
Die Suche nach benannten Farben hat ihre eigene Karteikarte im Dialogfenster der Funktion „Suchen/Ersetzen“ aus dem Menü „Bearbeiten“. Noch einfacher gestaltet sich die Suche beim Aufruf des benötigten Dialogs aus dem Bedienfeld „Farbfelder“. Hier genügt es, das zu suchende Farbfeld einmal zu aktivieren und schon kann man sich mit dem Befehl „Diese Farbe suchen…“ aus dem Optionen-Menü des Bedienfeldes den Zugriff auf dieses überaus handliche Feature verschaffen. Die Farbe im Menü „Farbe suchen“ ist jetzt vorausgewählt.
HSB-Farben erstellen, bearbeiten und anwenden
Außerdem kann InDesign HSB-Farbfelder (Hue-Saturation-Brightness) erstellen, bearbeiten und anwenden.
HSB nicht wirklich ein Farbraum wie RGB oder CMYK. Vielmehr handelt es sich um eine praktische Darstellung von RGB-Farben zum Anmischen mit Reglern auf drei Achsen, die für die meisten Grafikdesigner intuitiver zu handhaben sind: Farbton (Engl. hue), Sättigung (Engl. saturation) und Helligkeit (Engl. brightness).
InDesign kann jetzt HSB-Farbfelder in den Bedienfeldern „Farbfelder“ und „Farbe“ sowie mit dem Farbwähler erstellen. Wählen Sie hierzu im Bedienfeld „Farbfelder“ die Optionen „Farbtyp: Prozess“ und „Farbmodus: HSB“ und schon wird der RGB-Workflow in der Gestaltungsphase um einiges einfacher.
Das Bedienfeld „Farbe“ verfügt über den Menüeintrag „HSB“ (rechts im Optionen-Menü des Bedienfeldes, oberhalb von „Lab“, „CMYK“ und „RGB“). Die HSB-Werte lassen sich jetzt mit den drei Schiebereglern einstellen oder mit der Pipette aus dem Dokument erfassen oder alternativ numerisch eingeben.
Motivgerechte Konturenführung
Motivgerechte Konturenführung (Engl. Subject-Aware Text Wrap) ist eine maschinelle Lernfunktion, die das hervorstechende Motiv in einem Bild identifiziert und den Textumbruch um dieses Motiv berechnet. Dies war zuvor mithilfe der Funktion „Kanten erkennen“ im Bedienfeld „Textumbruch“ möglich, jedoch nur, wenn der Hintergrund weiss oder transparent war. Die neue Implementierung beschränkt sich nicht auf solche Bilder, sondern meistert beliebige Motive mit relativ klarem Vordergrund und Hintergrund. Das Bild benötigt weder einen Pfad noch ein Alphakanal. Je klarer das Motiv definiert ist, desto besser. Denn es ein automatischer Prozess ohne Möglichkeiten der Steuerung durch den Nutzer in InDesign.
Erstmals in der Version 2021 meistert Adobe InDesign die Konturenführung um ein markantes Bildmotiv vor einem beliebigen Hintergrund – automatisch und ohne die Hilfe von Photoshop.
Es genügt hierzu, das Symbol „Umbruch um Objektform“ im oberen Bereich des Bedienfeldes „Textumbruch“ zu aktivieren und anschliessend den Eintrag „Motiv auswählen“ aus dem Menü „Typ“ im Bereich der Konturoptionen auszuwählen, Problem gelöst.
Unterm Strich
Ein neues Update fördert einmal wieder eine diesmal von Grund auf aufgefrischte Liste an wünschenswerten bis dringend benötigten Verbesserungen ans Tageslicht. So unvollständig die neuesten Features erscheinen mögen, stellen sie doch einen merklichen Fortschritt dar. Erleichtert um lästige Stolpersteine alter Arbeitsweisen kann sich der InDesign-Nutzer jetzt mit dem Gedanken auseinandersetzen, was dem Programm diesmal (wieder) fehlt. Das Editieren von Farben in Formatdefinitionen steht sicherlich ganz oben auf der Wunschliste, zumal sich alle Vorkommen jetzt auf einmal so leicht im Dokument finden lassen. Man darf gespannt sein, was Adobe für das nächste Update so köchelt.