Wenn wir ehrlich sind, haben wir, Medienschaffende, den Gedanken an die Zukunft des Publishings erfolgreich verdrängt, oder?
Als Leser dieses Blogs zählen Sie sich zu den Profis Ihrer Branche. Als Mediengeschaffender ist es Ihr Ziel, die Wünsche Ihrer Kunden kreativ zu erfüllen und damit Ihren Lebensunterhalt mit möglichst viel Freude an der Sache zu verdienen.
Eine Frage, die in der Luft hängt…
Auf einer Messe oder in den immer populärer werdenden Open-House-Events sind Vorträge zu der Zukunft des Publishings in Mode.
Zwar wird die Frage bezüglich der Zukunft des Publishings gerne aufgeworfen, beantwortet wird diese aber so gut wie nie. Cross-mediales Publishing ist für viele Mediengestalter ohnehin nur eine rein akademische Disziplin und mit der drängenden Frage um die Zukunft des Publishings kann man sich doch auch später beschäftigen, oder?
Ist doch „klar“, oder?
Haben Sie mal in einem Fotoalbum der Familie geblättert? In einem, welches nicht nur ein paar Monate oder wenige Jahre umfasst, sondern in einem aus der Zeit der Eltern Ihrer Großeltern?
Ob Dampflok-Lokomotivführer, Kutschenführer, Telegraphist oder Bleilettern-Ersteller, alle diese Berufe sind heute so sehr in der Vergangenheit, dass einem sofort „klar“ ist, dass solche Berufe durch die technischen Innovationen unserer Zeit verdrängt werden müssten. Warum viele Berufe, die es einmal vor 50, 75 oder gar hundert Jahren gab nicht mehr zu finden oder in ihrer modernen Form in der heutigen Gesellschaft nicht mehr wiederzuerkennen sind, kann sich heute jeder vorstellen, ohne sich persönlich davon betroffen zu fühlen. Umgekehrt wäre es wohl nicht so einfach. Es ist daher auch kein Wunder, dass viele Mediengestalter angesichts des rasanten technologieschn Wandels etwas besorgt in die Zukunft blicken.
Wenn der technologische Fortschritt wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt, ist der Wandel wohl kaum aufzuhalten. Das Automobil hat die Kutsche ja auch nicht sofort abgelöst sondern nur schrittweise und doch gnadenlos in die wirtschaftliche Irrelevanz verdrängt. Die ersten Automobile waren noch exotisch und viele potenzielle „Anwender“ blieben vorerst beim altbewährten „Nutzungsszenario“ der Kalesche (Pferd einspannen, Kutsche fahren, Pferd füttern, Pferd bürsten, Stall ausmisten, etc.). Das Modell mag ja nachhaltig gewesen sein, hat sich aber auf die als ein Fortbewegungsmittel Dauer trotzdem nicht gehalten.
Der Wechsel von der Industriegesellschaft des 18., 19 und frühen 20. Jahrhunderts zu der Technologie- und Informationsgesellschaft des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts ging über zwei brutale Weltkriege, viele lokale Konflikte und diverse technologische Umbrüche. Die Erfindung der Computertechnik fiel da kaum auf. Auch die Bedeutung des Internets wurde anfangs von den einst etablierten „Experten“ nicht allzu ernst genommen und ins Lächerliche gezogen. Trotzdem schlägt heute im Zentrum aller zukunftsträchtigen Branchen unserer hypervernetzten Welt das Herz der IT.
Mit der Mediengestaltung ist es nicht viel anders: Sie muss einem definierten Zweck dienen und ihre Aufgabe angemessen erfüllen. Kein Unternehmen kommt umhin, Inhalte zu publizieren, wenn es seine Zielgruppe mit der eigenen Marketing-Botschaft erreichen möchte, um seine Produkte an den Mann und die Frau zu bringen. Publishing ist das ultimative Marketing-Vehikel, aber nur dann, wenn es jedes Medium abdeckt, jedes Endgerät nutzen, jeden potenziellen Käufer erreichen kann und dabei selbst nicht allzu viel Pflege bedarf.
Daraus ergibt sich aber die Schlußfolgerung, dass sich das Publishing an die neuen Realitäten des digitalen Lebensstils der Gesellschaft weiter anpassen wird.
Publishing, das ultimative Verkaufsvehikel
So wie das „Desktop Publishing“ anfangs als völlig irrelevant und unwichtig charakterisiert wurde, so ähnlich geht es den meisten aktuellen Buzzwords. Begriffen wie WebGL, IoT oder PPC können viele Mediengestalter keine unmittelbare Relevanz für ihreavisierte Berufslaufbahn abgewinnen, und so schalten Sie den Lärm aus. Unter dem Begriff des Cross-Media Publishings (des medienübergreifenden Publizierens) können sich ja die meisten noch etwas handfestes vorstellen, aber die neuen Buzzwords stossen meist auf wenig Interesse geschweige denn Gegenliebe. Wer nicht gerade für die neuen Medien gestaltet, fühlt sich in dieser neuen Realität scheinbar bedeutungsloser Getöne verloren. Diese Haltung ist durchaus verständlich, aber sicherlich nicht hilfreich.
Es herrscht ja auch die trügerische Überzeugung vor, die Branche würde rechtzeitig vor dem nächsten umwälzenden technologischen Wandel einen Warnschuss vor sich geben, damit sich jeder Betroffene darauf vorbereiten könne. Inzwischen versuchen viele erfahrene eingestandene Profis, auf Biegen und Brechen auf ihrer aktuellen Spezialisierung beharrlich zu fokussieren. Viele Branchenprofis stehen auf dem Standpunkt, dass sich beispielsweise ein Large-Format-Print- oder Druckvorstufenexperte nicht mit dem Web-Deasign, der UX-Entwicklung (Entwicklung der Benutzererfahrung) oder gar der Videobearbeitung, nicht einmal hobbymäßig, befassen sollte. Frei nach dem Motto, Schuster bleibe bei deinen Leisten.
Dabei ist es ungefähr so als ob ein in InDesign versierter Setzer das Erlernen einiger Grundlagen von Adobe Photoshop kategorisch ablehnen würde. Heute hat ein Druckvorstufenexperte sowohl typographische und weitergehende Grundlagenkenntnisse sowie praktisches EBV-Fachwissen und kann Adobe InDesign, Adobe Acrobat Professional und Adobe Photoshop ganz selbstverständlich quasi „im Tiefschlaf“ bedienen.
Wer von einer schleichenden Transformation nichtg kalt erwischt werden möchte, versucht, seine Horizonte stetst zu erweitern. Übersetzt in praktische Handlungen lässt sich diese Aktivität in drei Worten Zusammenfassen: Lesen, Lesen, Lesen.
Schuster, lass los und schau dich mal um!
Als Leser von Blogs wie diesem verstehen Sie sich sicherlich zumindest zum Teil als ein Medienschaffender. Sie zählen zu den (aktuellen oder werdenden) Profis und Ihr Ziel ist es, Ihr „Handwerk“ zu erlernen, um die Wünsche Ihrer Kunden optimal erfüllen zu können. Was sind Ihre Gedanken zur Zukunft des Publishings? Welche Trends sehen Sie aus Ihrem Blickwinkel?